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Reiseberichte
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Bernstein, Flieder, Storchennester
Kunst und Kultur in den baltischen Staaten – Rückblick
auf eine eindrucksvolle Reise des Kreiskunstvereins vom 30.Mai bis 12.Juni
2005
Von einer 12tägigen Kunst-
und Kulturreise in die baltischen Staaten unter der Leitung von Klaus
Rogge und Inga Schubert-Hartmann ist eine fast 30köpfige Gruppe
des Kreiskunstvereins vor wenigen Tagen zurückgekehrt, voller
Eindrücke von Landschaft, Menschen, Geschichte und Kulturdenkmälern.
Die Hinfahrt führte über die alte Stadt Thorn mit seiner
schönen Altstadt durch die reizvolle und immer noch ursprünglich
wirkende Masurenlandschaft bis nach Vilnius, der über 750 Jahre
alten Hauptstadt von Litauen. Vilnius besitzt viele Bauwerke von europäischem
Rang. Zahlreiche der ursprünglich gotischen Bauten sind in fast
südlich wirkende Renaissance-, Barock- oder Klassizismus-Häuser
umgewandelt worden. Die Hauptattraktion ist die auf einer Anhöhe
thronende St. Peter- und Paul-Kirche, ein prächtiges Beispiel
für den Hochbarock, im hohen Norden geschaffen von italienischen
Meistern. Das südliche sonnige Flair wurde noch von den Maiglöckchensträußen
unterstützt, die an jeder Ecke angeboten wurden. Ein abendlicher
Besuch in den Galerien der „Freien Republik Vilnius“, einem
Künstlerviertel, gab einen ersten Einblick in die hohe Qualität
künstlerischen Schaffens in den baltischen Staaten.
Zwischen Vilnius und Kaunas liegt das berühmte Trakai, eine gotische,
erst in den letzten Jahren restaurierte Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert,
die sich traumhaft in den sie um gebenden Wassern spiegelt. Rund um dieses „Nationalheiligtum“ leben
noch heute Tataren und Karäer in ihren Dörfern, die als Palastwache
von der Krim nach Trakai geholt worden waren und ihre eigene Kultur und Religion
leben. Die alte Memel-Stadt Klaipeda war das nächste Ziel und die Reisegruppe
kam bei der energischen Stadtführerin nicht umhin, am Ännchen-von-Tharau-Denkmal
die entsprechende Volksweise singen zu müssen. Mit Unterstützung
der deutschsprachigen Botschaften in Litauen wird das „Haus der deutschen
Kultur“ in der alten Stadt Memel aufrecht erhalten. Beeindruckend der
gerade wiedererstellte deutsche Soldatenfriedhof, der nach Öffnung der
Grenzen von der Kriegsgräberfürsorge endlich in einen würdigen
Zustand gebracht werden konnte. Als fachkundige Führerin hatte sich die
so manchem Soester gut bekannte litauische Künstlerin Zane Bukauskiene
zur Verfügung gestellt. Abends traf sich die Gruppe im Atelier von Augustinas
Burba und seiner Frau, die bereits im Landesinstitut ausgestellt haben und
deren Radierungen und Keramiken so manches kunstinteressierte Herz höher
schlagen ließen. Bei Rotwein und Tee wurde dann ordentlich gefachsimpelt.
Zwei sonnige Tage auf der Kurischen Nehrung folgten, mit einer Schiffsfahrt
bis zur russischen Grenze und kleinen Wanderungen über die große
Düne bei Nidden, den Hexenberg mit seinen bizarren Holzfiguren und durch
den internationalen Skulpturenpark direkt am Haff. Schon Wilhelm von Humboldt
schrieb 1809 begeistert über den heutigen Nationalpark Neringa: “Die
Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie gesehen haben muss, wenn
einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll.“ Sandwüsten,
Wälder aus Kiefern und Birken, kleine Fischer- und Feriendörfer,
endlose Sandstrände müssen schon den Literatur-Nobelpreisträger
Thomas Mann und viele Künstler wie Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff,
Lovis Korinth und viele andere beeindruckt haben, ließen sie sich doch
in Nidden nieder. Das Sommerhaus von Thomas Mann , das mit viel Mühe gerade
noch gerettet werden konnte, ist heute ein kleines Museum mit internationalem
Publikum. An den Häusern, auf dem alten Dorffriedhof, in der kleinen Fischerkirche – überall
zeugen alte Schriftzüge von deutschbaltischer Kultur. Auch der in Soest
viele Jahre später lebende und verstorbene Künstler Eduard Bischof
war Mitglied der Künstlerkolonie in Nidden. An ihn als starke Persönlichkeit
und an seine naturalistischen, stimmungsvollen Bilder konnten sich noch mehrere
Reisemitglieder gut erinnern.
Nach einem Besuch des von tiefer Volksfrömmigkeit geprägten „Berges
der Kreuze“ in Siauliai war die alte Hansestadt Riga das Ziel der Gruppe.
Die engen Kontakte in Geschichte und Gegenwart zwischen Soest und Riga waren
den Teilnehmern gut bekannt. Spurensuche war angesagt.Besonders angetan hatten
es alle Kunstinteressierten die wunderschönen, schon gut restaurierten
Jugendstilhäuser in Riga, in einer Fülle und Fantasie, wie sie kaum
vorstellbar sind. Die Sommerresidenz der kurländischen Herzöge, das
Barockschloss Rundale (Ruhenthal), erstrahlt frisch restauriert in seiner alten
Pracht und beherbergt eine wunderbare Sammlung alter Gemälde. Über
das hübsche und fast mondän wirkende Ostssebad Pärnu ging es
weiter nach Tallinn, der Hauptstadt Estlands. Domberg und Unterstadt zeigten
ein so fröhliches junges Leben, dass die Reisenden begeistert waren und
die Vorliebe der Finnen für diese Stadt und das, was sie zu bieten hat,
gut zu verstehen ist. Die Musikbegeisterung der Esten, die sich in Sängerwettstreiten
gigantischen Ausmaßes zeigt, war deutlich spürbar. Einen kunsthistorischen
Höhepunkt stellte die Besichtigung des „Totentanzes“ des Lübecker
Meisters Bernt Notke aus dem 15. Jahrhundert in der St. Nicholas Kirche dar.
Noch voller sinnlicher Eindrücke von den schillernden Farben des Bernsteins,
vom Duft der Maiglöckchen und des Flieders, von den Storchennestern auf
den Kaminen, dem gleißenden Licht der Kurischen Nehrung und der spürbaren
Dynamik dieser drei neuen EU-Länder ließ die Gruppe die Fahrt gemütlich
auf der Finnjet von Tallinn nach Rostock ausklingen.
Inga Schubert-Hartmann
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